Der kleine Nimmersatt
von Heinrich Seidel
Ich wünsche mir ein Schaukelpferd,
´ne Festung und Soldaten
und eine Rüstung und ein Schwert,
wie sie die Ritter hatten.
Drei Märchenbücher wünsch' ich mir
und Farbe auch zum Malen
und Bilderbogen und Papier
und Gold- und Silberschalen.
Ein Domino, ein Lottospiel,
Ein Kasperletheater,
auch einen neuen Pinselstiel
vergiss nicht, lieber Vater!
Ein Zelt und sechs Kanonen dann
und einen neuen Wagen
und ein Geschirr mit Schellen dran,
beim Pferdespiel zu tragen.
Ein Perspektiv, ein Zootrop,
´ne magische Laterne,
ein Brennglas, ein Kaleidoskop -
dies alles hätt' ich gerne.
Mir fehlt - ihr wisst es sicherlich -
gar sehr ein neuer Schlitten,
und auch um Schlittschuh' möchte ich
noch ganz besonders bitten.
Um weiße Tiere auch von Holz
und farbige von Pappe,
um einen Helm mit Federn stolz
und eine Flechtemappe.
Auch einen großen Tannenbaum,
dran hundert Lichter glänzen,
mit Marzipan und Zuckerschaum
und Schokoladenkränzen.
Doch dünkt dies alles euch zu viel,
und wollt ihr daraus wählen,
so könnte wohl der Pinselstiel
und auch die Mappe fehlen.
Als Hänschen so gesprochen hat,
sieht man die Eltern lachen:
"Was willst du, kleiner Nimmersatt,
mit all den vielen Sachen?
Wer so viel wünscht" - der Vater spricht's -
"Bekommt auch nicht ein Achtel -
der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
in einer Dreierschachtel."
Heinrich Friedrich Wilhelm Karl Philipp Georg Eduard Seidel
geboren: 25. Juni 1842, Perlin bei Wittenburg,
verstorben: 7. November 1906 in Groß-Lichterfelde/Berlin
Heinrich Seidel war ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller. Sein bekanntestes Werk ist das Buch "Leberecht Hühnchen" das aus mehreren Episoden besteht, die zwischen 1880 und 1893 entstanden sind. Hoch geschätzt wurden Seidels Märchen und seine Autobiographie "Von Perlin nach Berlin". Darüber hinaus schrieb er zahlreiche Gedichte, von denen einige auch heute noch in Anthologien übernommen werden. Quelle: Wikipedia
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